Spätestens 1970 hat die Kunst eine Schwelle erreicht, nach der alles erlaubt zu sein scheint. Offensichtlich verweigert die Kunst der letzten drei bis vier Dekaden auf breiter Front die Anleitung durch die Kategorien der modernistischen Kunsttheorie. So greifen etwa die vielen intermedialen Produktionen heute nicht nur die konventionelle Einteilung der Kunst nach Künsten an, sondern zugleich auch einen Kunstbegriff, der an die je besonderen Traditionen der einzelnen Künste gebunden ist. Im Zentrum dieses die ästhetische Moderne bestimmenden Kunstbegriffs steht die Annahme, dass die technisch hoch spezialisierte und historisch informierte Auseinandersetzung mit den Spezifika des je einzelnen ästhetischen Mediums für die Produktion autonomer Kunst unverzichtbar ist. Bedroht wird diese Annahme nun nicht nur dadurch, dass zunehmend unterschiedliche ästhetische Medien in einzelne Werke eingehen oder mit neuen technischen verbunden werden. Bedroht wird diese Annahme vielmehr auch – und grundsätzlicher noch – durch die Duchampsche Provokation, derzufolge der Begriff von Kunst überhaupt nicht an spezifischen Medien und korrespondierenden Kunstfertigkeiten hängt. Über die intermedial hybride, industriell gefertigte oder ready made aufgefundene Kunst nach 1970 ist der modernistische Diskurs denn auch so in die Krise geraten, dass seine VertreterInnen die Unangemessenheit ihrer Argumentation an zeitgenössische Phänomene auch durch verbitterte Verfallsdiagnosen nur mehr schlecht als recht verdecken können. In derartigen Krisen liegt nämlich bekanntermaßen der Hinweis darauf, dass der Zeitpunkt für einen Paradigmenwechsel gekommen ist. Entsprechend häufig ist ein solcher in den kunstkritischen und –theoretischen Diskussionen um die ästhetische Postmoderne denn auch ausgerufen worden. Die dabei bis heute zu diskutierende Frage aber ist die, wie das neue Paradigma sowohl in bezug auf den Begriff von Kunst als auch in bezug auf den Status des Mediums genau auszubuchstabieren wäre. Juliane Rebentisch ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Institut für Philosophie der Universität Potsdam. Von ihr ist kürzlich erschienen: Ästhetik der Installation, Frankfurt am Main: Suhrkamp 2003.